Naturherrschaft
Wie Welt und Mensch sich in der Wissenschaft begegnen
Hrsg. v. Hans Thomas, 336 Seiten, 11 Abb., brosch., Verlag BusseSeewald, Herford 1990, EUR 12,00
Mit Beiträgen von Patrick Bahners (Frankfurt), John S. Bell (Genf), Gottfried Küenzlen (Stuttgart), Reinhard Löw (Hannover), Peter Mittelstaedt (Köln), Günther Pöltner (Wien), Herwig Schopper (Genf), Dietmar Stehlik (Berlin), Antoine Suarez (Zürich), Hans Thomas (Köln), Anton Zeilinger (Innsbruck).
Der Kampf um Kurskorrekturen ökologischer Fehlentwicklungen wird immer noch mehr angetrieben von der bloßen Angst vor Ozonloch, Strahlen, Dunstglocken und Müllbergen als von der Einsicht in die Notwendigkeit, das Verhältnis von Mensch und Natur zueinander wirklich neu zu verstehen. Glykol - das ist Technik, Wein - das ist Natur. Die Diskussion ist emotionalisiert, polarisiert, moralisiert.
Kunst und Medien sakralisieren die Natur. An ihrer "Heiligkeit" vergreife sich der Mensch durch Ansammlung und Anwendung von immer mehr Wissen über sie. Atom und Zellkern sind zu Symbolen der Gefahr geworden. In der Reproduktionsmedizin und in der Humangenetik hat sich der Mensch längst zum Gegenstand gemacht. Naturwissenschaft und Technik geraten unversehens in den Verruf dämonischer Mächte. Gegenwärtig erleben wir kulturell eine Remythologisierung der Welt. Wir haben die Objektivität der Welt radikalisiert. Nicht minder radikal ist unser Rückzug in die Subjektivität. Wir sind in eine kulturelle Bewusstseinsspaltung geraten.
Der Naturwissenschaft und Technik verdanken wir andererseits eine menschenwürdige, erfülltere Existenz. Auf den individuellen und kollektiven Wohlstand, den sie uns bescheren, wollen wir nicht verzichten. Vielmehr protestieren wir gegen die Armut in der Dritten Welt. Die Entwicklungsländer setzen, um die Armut zu überwinden, alle Hoffnung auf Wissenschaft und Technologie. In der Tat: Nichts geht mehr ohne sie. Auch nicht die Rettung der "Natur". Der Band NATURHERRSCHAFT dokumentiert einen Dialog zwischen Naturwissenschaftlern und Philosophen über das Verhältnis von Weltverständnis und Weltwirklichkeit, zu dem das Kölner Lindenthal-Institut eingeladen hatte, um darüber nachzudenken, wie Natur und Mensch verflochten sind und wie sie doch einander unterschieden gegenüberstehen. Welche Einsichten in den Bau der Welt können die Naturwissenschaften uns überhaupt liefern? Welcher Umgang des Menschen mit der Umwelt und mit sich selbst ist nach alledem geboten? Vor allem haben Physiker das Wort. Das philosophische Versprechen, die Welt aus sich zu erklären und ihre Probleme ein für allemal zu lösen, inspirierte sich zuerst an der Physik, der exaktesten der exakten Erfahrungswissenschaften. Erneut entzünden sich, wiederum an der Physik, leidenschaftliche Diskussionen um das Verstehen dieser Welt. Weist heute die Physik über die Physik hinaus?