Publikationen

Menschlichkeit der Medizin

Hrsg. v. Hans Thomas, 337 Seiten, 13 Abb., brosch., Verlag BusseSeewald, Herford 1993, EUR 12,00

Mit Beiträgen von Volker Diehl (Köln), Felix Ermacora (Innsbruck), Luke Gormally (London), Gonzalo Herranz (Pamplona), Bernard Kerdelhué (Jouy en Josas (Frankreich), Winfried Kluth (Köln), Detlef Bernhard Linke (Bonn), Markus v. Lutterotti (Freiburg) Hassan Nour Eldin (Frankfurt), Jan Helge Solbakk (Oslo), Robert Spaemann (München/Stuttgart), Hans Thomas (Köln).

"Der Arzt muss sehr oft sein eigenes Verhalten überprüfen, um dem ethischen Prinzip des Nichtdiskriminierens zu folgen". Nach dieser Einleitung bringt G. Herranz, Prof. für Pathologie und Inhaber eines Lehrstuhls für Bioethik, seine Leser nicht minder aus der Ruhe als seine Medizinstudenten, die er mit Paul E. Ruskins Test einer Selbstprüfung unterzieht, ob ihr Wille, nicht zu diskriminieren, auf festem Grund steht. Zuerst beschreibt er eine Patientin von "altersentsprechendem Aussehen". Sprachliche Kommunikation ist nicht möglich. Sie kann weder hinreichend sprechen noch versteht sie gesprochenes Wort, stammelt vielmehr inkohärent stundenlang vor sich hin. Hinsichtlich der eigenen Person, der räumlichen Umgebung und der Zeit scheint sie nicht orientiert zu sein. Sie macht lediglich den Eindruck, ihren eigenen Namen wiederzuerkennen. In Sachen Körperpflege reagiert sie völlig teilnahmslos, ohne jede Mitwirkung. Man muss sie mit breiigen Speisen füttern, denn sie hat keine Zähne. Wegen Stuhl- und Urininkontinenz muss sie häufig gewaschen und umgekleidet werden. Da sie unentwegt speit, muss oft die Wäsche gewechselt werden. Gehen kann sie nicht. Ihr Schlaf ist sehr wechselhaft. Häufig wacht sie nachts auf und weckt mit ihrem Geschrei die anderen. Die meiste Zeit ist sie zwar ruhig und lieb, aber ein paarmal am Tag ist sie plötzlich ohne erkennbaren Grund sehr agitiert und verfällt in ein unmotiviertes krampfigschluchzendes Weinen. "Dann zeigt Herranz ein Foto der Patientin: ein prächtiges Baby von sechs Monaten.

Ohne die theoretische Durchdringung der Probleme moderner High-Tech-Medizin zu scheuen, handeln die zwölf Beiträge aus kompetenter Feder in "Menschlichkeit der Medizin" von handfesten Erfahrungen und Versuchungen im ärztlichen und klinischen Praxisalltag, machen nachdenklich, zeigen Wege zu einer Humanisierung des Medizinbetriebs und der gesellschaftlichen Ansprüche auf seine Dienstleistungen, rezeptieren aber keine vorgefertigten Lösungen. Die Beiträge in diesem Buch lassen sich unschwer in vier Gruppen gliedern:

Erstens: Grundlagen zur Ethik in der Medizin aus medizinischer und philosophischer Sicht behandeln Diehl (Arztethos), Solbakk (Forschungsethik), Thomas (Leiblichkeit), Linke (Hirntod).

Zweitens: Der juristischen Bewältigung medizinischer Entwicklung und lebensrechtlicher Probleme widmen sich Ermacora (menschen und staatsrechtlich) und Kluth (verfassungs-, gesetzes- und arztrechtlich).

Drittens: Mit Sterbehilfe/Euthanasie/ Palliative Medizin befassen sich v. Lutterotti (Schwerpunkt: Praxis), Gormally (Schwerpunkt: Diskriminierung der Alten und Gebrechlichen in der Gesundheitsökonomie), Herranz (Schwerpunkt: Herausforderung der Palliativmedizin). Abschließend eine philosophische Betrachtung Spaemanns zur Personalität des Menschen.

Viertens: Der Anhang dokumentiert eine Diskussion vom 10. 10. 1992 um Mifepriston (RU 486) mit Beiträgen von Kerdelhué (Centre National de Recherche Scientifique, Frankreich) und Nour Eldin (Hoechst AG Frankfurt/M).

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