Chancen einer Kultur der Arbeit
Abschied von der Entfremdung
Hrsg. v. Hans Thomas 208 S. 8 Abb., brosch., Verlag BusseSeewald, Herford 1990, EUR 12,00
Mit Beiträgen von Rafael Alvira (Madrid), Franz Borgers (Bocholt), Klaus M. Becker (Köln), Rocco Buttiglione (Rom), Boris Groys (Moskau/Köln), Josef Stingl (Rheinbrohl), Hans Thomas (Köln). Der Band dokumentiert unser gleichnamiges Colloquium vom Mai 1989
"Arbeit entfremdet". Diese Marxsche These, Mutterboden des real existierenden Sozialismus, gehört auf die Friedhöfe menschlicher Hoffnung, die der Offenbarungseid des Sozialismus hinterlassen hat. "Eine Gesellschaft, die die Arbeit einseitig ökonomisiert", so lautet eine Diagnose dieses Buches, "ökonomisiert auch den Staat; und dieser revanchiert sich, indem er die Arbeit politisiert." Auch in westlichen Industriegesellschaften gilt Arbeit als etwas, von dem man sich möglichst befreien sollte. Die Vorstellung von der entfremdeten und entfremdenden Arbeit ist weit verbreitet. Freizeit wird als Befreiung gefeiert. Arbeitszeitverkürzung galt bis vor kurzem noch ungefragt als Gewinn. Soziologen entwerfen das Szenario einer "Kultur" der Freizeit.
"Arbeitslosigkeit entfremdet". Mit dieser These rückt das Buch der schon sprichwörtlichen "Sinnkrise des Arbeitslebens" zu Leibe. Bibliotheken der Literatur über Arbeit von Ökonomen, Soziologen, Sozialpolitikern handeln von den Früchten, Folgen und Bedingungen der Arbeit, aber nur selten von dieser selbst. Vor allem handeln sie vom Geld, vom Arbeitsgegenwert, mit dem die Arbeit gern verwechselt wird. Schließlich geben Arbeitgeber Geld. Die Arbeit nehmen sie dafür.
Die Untersuchungen fördern solch merkwürdige Feststellungen zutage wie die, dass Freizeiterwartungen, die keinem verbindlichen Inhalt verpflichtet sind, an die Stelle der verlorenen Kunst getreten sind, Feste zu feiern. Der Sinn, den die Arbeit aus dem Fest gewinnt, könne von der Freizeit nicht gestiftet werden. Der Titel ist ein optimistisches Signal: Chancen einer Kultur der Arbeit. Am Übergang zur nachindustriellen Gesellschaft kündigt sich ein Wandel des Arbeitsverständnisses an. Mit einer positiven Definition und Begründung der menschlichen Arbeit möchte das Buch diesem Umdenken entgegenkommen. Die Unterscheidung zwischen (ökonomischem) Wert und (humaner) Würde der Arbeit erlaubt ein Plädoyer für eine gleichgewichtige Betrachtung in der Praxis.